Das beweinte Plüschtier

2014-07-11 18-38-38_0033Vor ein paar Wochenhaben wir die Kinder übers Wochenende zu meinen Eltern nach Schwäbisch Gmünd gebracht. Mein Mann und ich fuhren weiter in die Schweiz. Das Haus meiner Eltern lag quasi auf dem Weg. Als wir wieder zurück in die Kleinstadt in Baden-Württemberg kamen, sah ich die Überraschung schon durch die Terrassentür. Dass sie Sabrina hieß, erfuhr ich erst hinterher: Ein etwa 1,20 Meter hohes Plüschpferd mit stabilen Beinen, sodass zwei Kinder auf seinem Rücken sitzen und so tun konnten, als ritten sie durchs Wohnzimmer. Meine Mutter hatte es ihnen gekauft. Wer sonst. Aus Angst vor mir habe sie nur eines gekauft, auch wenn es dem Kleinen gegenüber unfair sei, sagte sie. Er hätte nämlich auch gerne eins gehabt. Nun musste er sich Sabrina, oder Sabrini, wie meine Tochter das Plüschpferd zärtlich beweint, mit seiner Schwester teilen. Sabrini wird deshalb beweint, weil sie noch immer in Schwäbisch Gmünd steht und sicherlich traurig zur Terrasse hinausschaut. Mein Mann verbot auf der Stelle, dass Sabrini mit uns nach Berlin fliegt. Ich sah heimlich trotzdem nach, ob man sie nicht als Sonder- oder Sperrgepäck mitnehmen konnte. „Gute Idee“, sagte er, als er mich am Computer erwischte. „Wir sagen, die Fluggesellschaft erlaubt es nicht.“ Meine Mutter schlug vor, uns Sabrini mit der Post zu schicken. Oder sie bei ihrem nächsten Besuch selbst mitzubringen. Todunglücklich packt unsere Tochter Sabrinis Reitpeitsche in ihren Koffer. Ich erlaubte ihr noch, den nagelneuen Striegel mit ins Handgepäck zu nehmen.

In zwei Wochen sind Schulferien, meine Mutter hat versprochen zu kommen. Meine Tochter freut sich unbändig. „Auf Nene?“, frage ich. So nennt sie ihre Oma auf Türkisch. „Auf die auch“, antwortet sie. „Du weißt, dass wir keinen Platz für ein Pferd haben“, sagt mein Mann. Sofort beginnt unsere Tochter zu weinen. „Wir könnten die gelbe Lampe in den Keller bringen und das Bobbycar verschenken“, sage ich. „Are you crazy?“, ruft mein Mann. Er hätte auch auf Deutsch fragen können, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Die Kinder erkennen an seinem Gesichtsausdruck und an seinem Ton, dass er Sabrini nicht im Haus haben will.

Meine Mutter will mit dem Zug kommen. Ich stelle mir vor, wie sie mit Reisetasche und Pferd in den ICE steigt. „Es stört sie sicher nicht, wenn Sabrini ihnen über die Schulter schaut, oder?“, würde sie ihre Mitfahrer fragen. Wenn das Pferd erst einmal da ist, ist es eben da. Ich mische mich da nicht ein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Mann es übers Herz bringt, Sabrini aus dem Fenster zu werfen. Er könnte es nicht einmal, dafür ist sie viel zu groß. Siemüsste bei uns bleiben. Nie im Leben würde mein Mann seine Schwiegermutter mit Sabrini zum Hauptbahnhof bringen und ihr helfen, das Plüschtier in Wagen 22 zu hieven, nur damit er sich durchgesetzt hat. Im Grunde seines Herzens ist er ein guter Kerl.


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